Wie Chinas Kohle-Boom das Weltklima gefährdet
Trotz Klimakrise baut China den Kohlesektor rasant aus. Für Peking hat Energiesicherheit die höchste Priorität. Dabei helfen Chinas Kohle-Giganten auch Kredite der Deutschen Bank.
Noch bevor das ZDF-Team das Eingangstor des Kohlekraftwerkes in der Nähe von Chengdu im Südwesten Chinas erreicht, kommt ein Mann des Sicherheitsdienstes auf uns zugelaufen: Wir sollen sofort wegfahren, das sei hier Privatgelände. Zwei Autos heften sich auffällig an das Reporter-Fahrzeug. Wenig später klingelt das Handy des Fahrers. Er soll erklären, wen er im Auto hat und wohin er uns fährt.
Wer in China über Kohle berichten möchte, gerät schnell in den Fokus des Staates. Kohle bedeutet automatisch nationale Sicherheit. Denn der Energiehunger des Landes wird zu etwa 60 Prozent aus Kohle gestillt. Und trotz aller Warnungen vor der Klimakatastrophe investiert China mehr als jeder andere Staat weiter in diesen Energieträger.
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Ein internationales Team von Journalisten, darunter "Spiegel", "Standard" und "Le Monde", hat Daten der französischen Organisationen "Data for Good" und "éclaircies" zu den 425 weltweit größten Förderprojekten für fossile Energien ausgewertet. Das umfasst alle Förderstandorte für Öl, Gas und Kohle weltweit, bei deren vollständiger Ausbeutung potenziell mindestens eine Gigatonne CO2 freigesetzt würde. Erstmals veröffentlicht wurden diese Berechnungen im Juli 2022 in einer wissenschaftlichen Studie im Fachjournal "Energy Policy".
Unter diesen 425 Projekten sind 106 aktive Kohle-Minen in China - mit potenziellen Emissionen in Gesamthöhe von rund 261 Gigatonnen CO2 enthalten. Allein 21 dieser Minenprojekte sind laut Datensatz zwischen 2020 und 2022 in Betrieb gegangen. "Im Jahr 2022 ist die Kohleproduktion um 10,5 Prozent gestiegen, auf 4,65 Milliarden Tonnen", sagt Wiebke Rabe, Juniorprofessorin für die politische Ökonomie Chinas an der Universität Bremen. "Chinas 14. Fünfjahresplan gibt vor, dass Kohle ein Sicherheitsnetz für die Energieversorgung Chinas darstellen soll."
Mit 143 Milliarden Tonnen hat China die viertgrößten nachgewiesenen Kohlereserven weltweit. 2021 wurde die Hälfte aller Kohle weltweit in China gefördert.
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Laut den Berechnungen des Weltklimarates (IPCC) hat die Erde nur noch ein globales CO2-Budget zwischen 300 und 900 Gigatonnen, um die Erwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen - das Kernziel des Pariser Klimaabkommens von 2015, das auch China ratifiziert hat. Allein Chinas Kohleminen könnten also bereits einen guten Teil der verbliebenen Menge aufbrauchen.
"Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens ist schwer vereinbar mit Chinas Kohlenutzung", sagt Nis Grünberg vom Mercator Institute for China Studies in Berlin.
Die Zahlen in China sind immer so groß, dass man sie sich schwer vorstellen kann. Ein Land mit 1,4 Milliarden Menschen, mit einer enormen Industriekraft wird hauptsächlich noch von Kohle angetrieben. Riesige Gebiete sind verwüstet durch den Abbau.
Und das sind nur die chinesischen Projekte, die laut Global Energy Monitor (GEM) bereits in Betrieb sind. GEM ist die wohl umfassendste Plattform für weltweite Energieprojekte. Darüber hinaus, plant China seine Kohle-Förderung weiter auszubauen. Der Datensatz umfasst 23 weitere geplante Minenprojekte mit laut Studie potenziellen CO2-Emissionen in Höhe von 43,6 Gigatonnen.
Die größte darunter ist die Baija Haizi Kohlen-Mine in der Inneren Mongolei. Sie erhielt im April 2022 eine Lizenz für die nächsten 30 Jahre bei einer jährlichen Fördermenge von 15 Millionen Tonnen Kohle. Insgesamt sollen ihre Reserven aber für fast 97 Jahre reichen, berichtet die chinesische Staatszeitung "Global Times".
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"Der Stromverbrauch wächst enorm. Momentan reichen die jährlich zugefügten erneuerbaren Energien kaum aus, um den Mehrverbrauch zu decken", sagt Experte Grünberg.
Es gab 2021 eine Kohleknappheit, weshalb Strom rationiert werden musste. In diese Situation will man nicht nochmal kommen.
Nis Grünberg, Mercator Institute for China Studies
China setzt auf Kohle, denn sie bedeutet Versorgungssicherheit. Sie sei billig und vor Ort verfügbar, so Grünberg. Kurz- und mittelfristig werde sich daran auch nichts ändern. "China lässt sich da von außen auch nicht mehr viel reinreden."
Laut Global Energy Monitor sind in China aktuell neue Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 243 Gigawatt im Bau oder genehmigt - das ist mehr als die Nennleistung aller existierenden deutschen Kraftwerke zusammen. Im Schnitt geben chinesische Behörden jede Woche die Freigabe für zwei neue Kohlekraftwerke.
Mehrere von Chinas wichtigsten Kohle-Produzenten hatten beim Ausbau ihrer klimaschädlichen Förderstätten in den vergangenen Jahren Unterstützung internationaler Banken, auch aus Deutschland. So soll nach Berechnungen des Projekts "Banking Climate Chaos" die Deutsche Bank zwischen 2016 und 2022 insgesamt rund 2,3 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 2,2 Milliarden Euro) an Krediten für mehrere Unternehmen hinter Chinas größten Kohle-Minen bereitgestellt haben. "Data for Good" und "éclaircies" haben diese Daten zusammengetragen.
Die Deutsche Bank betont auf Anfrage von ZDF frontal, dass sie diese Zahlen nicht nachvollziehen könne. "Alleine im vergangenen Jahr sanken die ausstehenden Kredite im Bereich Kraftwerkskohleabbau um 18 Prozent auf insgesamt 231 Millionen Euro", sagt ein Unternehmenssprecher und verweist auf eine Konzernrichtlinie zur Dekarbonisierung. Seit 2016 habe sich die Bank nicht mehr an der Kreditfinanzierung von neuen Kraftwerkskohleminen und am Ausbau bestehender Minen beteiligt.
Zu potenziellen oder existierenden Kundenbeziehungen dürfe man sich nicht äußern. Bis 2025 werde man weltweit alle Engagements im Kohleabbau beenden, hatte die Deutsche Bank bereits 2020 angekündigt.
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Wie lange der Kohle-Boom in China noch anhält, darüber würden die nächsten zwei bis drei Jahre entscheiden betont, Nis Grünberg. "China ist nicht nur Weltmeister im Kohle-Ausbau, sondern auch im Ausbau der erneuerbaren Energien." Dahinter stünden oft die gleichen großen Staatskonzerne. "Und sobald es einmal ertragreicher ist, an einem Ort Windräder aufzustellen, als dort Kohle abzubauen, dann wird der Wechsel in China sehr schnell kommen."
Kevin Tu, Direktor der Denkfabrik Agora Energy Transition China sieht sogar die Gefahr von Überkapazitäten im Kohle-Sektor: "Wenn Genehmigung und Bau von neuen Kohleprojekten in diesem Tempo weitergehen, gibt es die reale Gefahr von Totalverlusten in einigen Jahren." Um das zu vermeiden, brauche es eine klare Strategie der Regierung, auch für die 2,6 Millionen Kohle-Bergleute in China, betont Tu.
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ZDFheute-KlimaRadar - Daten zum Klimawandel im Überblick
Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.
von Moritz Zajonz
Author: Cindy Golden
Last Updated: 1700386203
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